“Vegan oriental”: Gutes Essen geht vor Ideologie. Ein Kochbuch für alle.

“Vegan oriental”: Gutes Essen geht vor Ideologie. Ein Kochbuch für alle.

Meine Vermutung, dass Nicht-Veganer die besseren veganen Kochbücher schreiben erhärtet sich zunehmend*. Zur veganen Küche habe ich eine recht eigensinnige Einstellung, ich schätze viele vegane Gerichte sehr, aber nicht die Ideologie, die dahinter steckt. Ich bin von ganzem Herzen omnivor, die Qualität und vernünftige Herstellung der Produkte – ob tierisch oder pflanzlich – ist für mich entscheidend für gutes, verantwortungsvolles, genussvolles Essen. Das und der Anspruch, respektvoll mit unserer Umwelt und ihren Ressourcen umzugehen  führen mich automatisch zum teilzeit-veganen Kochen. Wie oft habe ich die orientalische Küche schon bewundert und mich ehrfürchtig vor ihr verneigt. Eigentlich gefällt mir nicht nur die Küche, sondern die gesamte Esskultur, das familiäre Zusammensein, das Genießen und den hohen Stellenwert, den das frisch zubereitete, gemeinsam zelebrierte Essen hat, selbst wenn es aus einfachsten Zutaten besteht. Ich liebe es, wie die sozialenKomponente des Essens in Parvins Küche betont wird. Das Kochbuch habe ich seit der Präsentation noch nicht wieder zugemacht.

Die fabelhafte Parvin Razavi, Wienerin mit persischen Wurzeln und seit Jahren fantastische, autodidaktische Köchin in Wien, hat ein Kochbuch geschrieben, in dem sie ihre Wurzeln uns teilhaben lässt an ihrem Wissen über den kulinarisch höchst spannenden mittleren Osten . Schon vor über einem Jahr hat sie mir erzählt, dass dieses Kochbuch kommt. Und ich wusste, ich muss es sofort haben.

Die Illustrationen in "Vegan Oriental" sowie das Cover sind Buntstiftzeichnungen von Henriette Artz
Die Illustrationen in “Vegan Oriental” sowie das Cover sind Buntstiftzeichnungen von Henriette Artz (C) Henriette Artz

Was “Vegan Oriental” zu einem Lieblingswerk macht

  • Alltagstauglichkeit 1: Man bekommt die Zutaten in jedem Supermarkt. Das ist nämlich das große Manko an vielen Kochbüchern fremdländischer Küche. Zu viele gelesene, bewunderte Kochbücher bleiben aus genau diesem Grund gelesen und bewundert , weil man erst mal die Zutaten im Exotenshop XY beschaffen müsste. Für Parvins Rezepte muss man keine spezielle Bezugsquelle ausfindig machen. (Ja OK ich geb’s zu, bei mir wär’s eh wurscht, ich suche ohnehin regelmäßig genau dieseLäden auf, aber ich bin ja auch ein bisschen ein Freak, was das betrifft)
  • Alltagstauglichkeit 2: Die Gerichte sind einfach. Manche brauchen etwas Zeit, aber das muss so sein, denn das langsame Dahinschmurgeln von Zwiebeln etwa gibt vielen Gerichten einen so herzhaften Geschmack, dass man Fleisch überhaupt nicht vermisst und die Gerichte selbst in der kalten Jahreszeit wärmende, wohltuende, sättigende Gerichte ergeben.
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Eines meiner absoluten Lieblingsrezepte: Mizra Ghasemi, rotes Auberginenmousse aus dem Iran, das ich etwa ein Mal pro Woche mache
  • Die Gerichte tun einem einfach wahnsinnig gut. Man wird satt und zufrieden, hat aber nicht das Völlegefühl, welches man nach manchen schweren Fleischmahlzeiten hat.
  • Die Gerichte kommen mit sehr günstigen Zutaten aus. Ein weiterer Beweis dafür, dass gutes Essen nichts mit teuren Zutaten zu tun hat.
  • Hülsenfrüchte. Ich liebe Hülsenfrüchte und finde es schade, dass sie in Österreich so selten gegessen werden. Sie sind günstig, köstlich und vielseitig. Kocht mehr Hülsenfrüchte.
  • Säure. Die orientalische Küche weiß Säure richtig einzusetzen, sie kommt von Zitronen, Berberitzen oder Joghurt. Joghurt spielt überhaupt eine unverzichtbare Rolle, deshalb ist Sojajoghurt auch das einzige (!) vegane Ersatzprodukt in Parvins Kochbuch. Das ist auch schon der nächste Punkt:
  • Keine veganen Ersatzprodukte – den Scheiß braucht nämlich wirklich niemand. Für “Vegan Oriental” macht Parvin jedoch eine kleine aber verschmerzbare Ausnahme bei Sojajoghurt, weil Joghurt aus der persischen Küche einfach nicht wegzudenken ist. (Ich nehme freilich trotzdem mein geliebtes, köstliches Bio-Naturjoghurt,wie immer, eh klar, zum Glück lebe ich ja nicht nach Dogma ;) Geschmack geht vor Ideologie, aber das bleibt jedem selbst überlassen)
  • Buntstiftzeichnungen von Henriette Artz nebst authentischen, nicht zu sehr gestylten Fotos von Arnold Pöschl, geshootet im Rahmen einer Intensivkochwoche in Istrien.

Ich bin nicht die einzige, die dieses Buch zum ersten Mal auf- und dann nicht so schnell  wieder zugeschlagen hat. Die Direktorin des Rogner Bad Blumau, Melanie Franke,  hat es in einem durch – bis in die frühen Morgenstunden – gelesen und das kann ich absolut nachvollziehen. Im Rogner Bad Blumau wurde “Vegan Oriental” nämlich präsentiert.

Fleisch gibt Geschmack, aber es gibt auch Geschmack ohne Fleisch

Es stimmt zwar, dass einige meiner Lieblingsgerichte ihren Geschmack gerade aus Fleisch, Tierfett und Knochen bekommen. Aber es gibt so viele rein pflanzliche Gerichte, die mindestens so herzhaft und intensiv schmecken. Wer das nicht glaubt, hat eben noch nicht genug probiert. Parvins Buch ist ein perfekter Einstieg in eine weniger fleischlastige Küche.

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Meine Liebe zur Küche des mittleren Ostens

Ich liebe die persische Küche über alles, aber habe mich noch nie so recht drübergetraut. Klar, ich koche viel nach Ottolenghi, aber das sind eher moderne, kreative Rezepte als die klassische persische Hausmannskost, wie ich sie von Parvins kenne (oder aus dem Pars, wo ich immer hingehe, wenn mir nach persischer Küche ist). Anders als die südostasiatische Küche, habe ich mich beim Selbstkochen nur über ganz wenige Gerichte getraut. Irgendwie kam mir die persische Küche immer so unantastbar vor, als würde ich sie ohnehin nie so beherrschen können, wie ich sie bei Persern  genießen durfte. Die wissen nämlich wirklich, was gutes Essen ist. Und damit meine ich nicht teures Essen, sondern die Kunst, aus wenig viel zu machen. Das heißt auch: ohne Fleisch, ohne tierische Produkte. Geschmack kommt zwar auch, aber nicht ausschließlich von Fleisch. Ein Gespür für das Spiel mit Säure, Gewürzkompositionen, Kräuter und die Qualität der einfachen Ausgangsprodukte stehen in Parvins Gerichten im Vordergrund. Das gefällt mir. Umso mehr überrascht mich jetzt, wie einfach und angenehm Parvins Rezepte aus dem gesamten mittleren Osten nachzukochen sind. Ein Kochbuch, das jedem Freude machen wird, egal auf welchem Kochniveau.

Der Sommer ist übrigens die perfekte Zeit, um dieses Buch von vorne bis hinten durchzukochen (ich bin schon mittendrin). Tomaten, Zucchini, Melanzani, Gurken.. das alles gibt es jetzt aus österreichischem Anbau und mit richtig viel Geschmack.

Bei der Präsentation im Rogner Bad Blumau mit Küchenchef Johann Schuster (links)
Bei der Präsentation im Rogner Bad Blumau mit Küchenchef Johann Schuster (links), Sarah Krobath, Parvin Razavi links von mir, Rogner Bad Blumau Direktorin Melanie Franke, Birgit Jax und Ines Erlacher  vom Rogner Bad Blumau
Die tolle Küche mit Holzofen im Rogner Bad Blumau
Die tolle Küche mit Holzofen im Rogner Bad Blumau

 

präsentiert wurde nicht irgendwo…

…sondern dort, wo Parvin seit langem mit ihrer Familie Urlaub macht: im Rogner Bad Blumau. Aufgrund meiner Abneigung zu Thermen (warmes Wasser, stickige Luft und herumliegen als wäre man krank) war ich anlässlich der Kochbuchpräsentation zum ersten Mal dort. Zum Glück! Das Rogner Bad Blumau war trotz meiner persönlichen (!) Thermenvorbehalte eine wahre Wohltat. Warum? Ich durfte einen Betrieb kennenlernen, der zeigt, dass Tourismus und Hotelbetrieb im Einklang mit der Natur funktioniert. Man merkt es sofort, wenn man ankommt, nicht nur an der Architektur sondern – wie soll es anders sein – besonders in der Küche und den Menschen, die dort arbeiten. Auch in der Mitarbeiterküche heißt es – frei von Dogmen, der Umwelt zuliebe: ein fleischfreier Tag pro Woche. Der ist laut Mitarbeiteraussagen dank Küchenchef Johann Schuster mittlerweile ein Wochenhighlight geworden.

Küchenchef Johann Schuster und Parvin, ein tolles Team – im Geiste und am Herd (Foto: Rogner Bad Blumau)
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Khoubiz heißt dieses libanesische Brot
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Karamellisierter Fenchel
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Für mich alte Bekannte unter den Rezepten: Mezze (eine Zusammenstellung kleiner Gerichte) zählen zum besten, was der mittlere Osten kulinarisch bietet. Hier Baba Ghanoush, Mizra Ghasemi und Haselnussdip
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Auch in der orientalischen Küche gilt wie fast überall: Desserts sind eher nicht so meins. Aber allen anwesenden Dessert-Aficionados hat der Mandel-Rosenkuchen trotz bereits vollen Bäuchen sehr geschmeckt
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Gleich erspäht: Parvin arbeitet mit den richtigen, guten Pinienkernen. Rosinen und Reis sind auch drin.
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Bekommt man bei uns leider viel zu selten: Okra – der “grüne Spargel des Orients”. Hier einfach in Olivenöl knusprig gebraten
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Das Heiligtum am persischen Tisch: Der Reiskuchen
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Gefüllte Tomaten mit Couscous, Minze und Cranberries aus Ägypten
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Hülsenfrüchte galore! Besonders köstlich waren auch die Saubohnen (grün), genannt Baghali Ghatogh, aus dem Iran. Der karamellisierte Fenchel mit Fenchelsamen und Berberitzen ist typisch für Marokko.
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Tabouleh aus Granatapfelkernen und Äpfeln aus Marokko. Hier kommt Sumak rein, eines meiner Lieblingsgewürze!

Liebe Parvin, Danke für dieses fantastische und einzigartig Buch, dass sofort einen Fixplatz in meinem Lieblingsregal bekommen hat. Danke, dass es frei von Ideologie ganz einfach um den Geschmack und Genuss pflanzlicher Küche geht, mit der du den Orient in meine doch recht österreichische Küche bringst.

*siehe vor allem mein erstes veganes Lieblingsbuch “Immer schon vegan” von Katharina Seiser

und jetzt?

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